Leipzig_04 – Das denken wir..
- Rieke Sander
- 1. Aug. 2023
- 4 Min. Lesezeit
Seid ihr bereit für eine emotionale Achterbahnfahrt? Dann schnallt euch an, denn jetzt lassen wir gemeinsam zwei intensive Monate Revue passieren.
Um euch kurz abzuholen. Anfang dieses Jahres wurden wir über Kontakte für die Mitarbeit an einem Projekt vorgeschlagen. Unter der Devise, ‚die brauchen Kreative, die die Vision zum Leben erwecken und zwar schnell und günstig, da hab ich an euch gedacht‘.
Ich erinner mich noch an das erste Zusammenkommen, als wäre es gestern. Während der Besichtigung einer potenziellen Ladenfläche treffen wir erstmals die Beteiligten des Projekts, das zu diesem Zeitpunkt ehrlicherweise noch zwei Projekte waren, die es zusammenzuführen galt.
Es soll ein Hybridgeschäft aus einem Museumsschaufenster und einem Concept Store werden, so der Plan.
Unsere Funktion in diesem Gespann sollte die Gestaltung sein. Vorerst musste ein 3D Modell her, wie die 150m2 Ladenfläche eingerichtet werden könnte, damit ein Mietvertrag überhaupt in Frage kommt. Zu dieser Zeit hatten wir noch recht wenige Informationen über die Aufgaben dieses Projekts, sprich die Anforderungen an die Ladenfläche die mit ihrem Nutzen einhergehen. Das heißt das Modell war lediglich eine Skizzierung dessen, was wir bereits wussten, nämlich: Der Laden soll den Verkauf lokaler Leipziger Produkte und Präsentationsflächen Leipziger Museen und Dienstleister vereinen. Es soll ein Hybridgeschäft aus einem Museumsschaufenster (eine Idee aus Coronazeiten, um Museen Werbefläche für künftige Ausstellungen und Projekte zu geben) und einem Concept Store werden, so der Plan.
Gestaltung, Design, Konzept, Layout, Print...
Nachdem das Modell abgenickt wurde und der Mietvertrag der Gewerbefläche ein Stückchen näher gerückt war, musste schnell ein handfestes Konzept her. In der Theorie stand das zwar schon aber in der Praxis brauchte der Laden einen Namen, ein Design, eine Strategie usw. Hier wurden wir zu unserer Überraschung ebenfalls eingespannt. Okay, also sind wir nicht nur für Gestaltung der Einrichtung, sprich des Visuellen und der Funktion des Stores verantwortlich, sondern unsere Meinung ist auch im Aufbau der Struktur dieses Projekts gefragt.
Zu diesem Zeitpunkt haben wir uns wirklich sehr geehrt gefühlt, dass man uns all diese Aufgaben anvertraut und haben noch nicht gesehen oder sehen wollen, dass es erste Probleme in Sachen Kompetenzbereich, Kommunikation und Herangehensweise im Team gibt.
Ein erstmaliges Treffen mit allen Beteiligten musste her, um Grundlegendes festzulegen, damit das Projekt die nächste Stufe erreichen konnte. Man bedenke, wir befinden uns im Februar und die Eröffnung des Geschäfts war auf Anfang März, spätestens Mitte März angesetzt. Wir haben unsere bedenken zum Zeitplan mehr als einmal geäußert, vor allem weil die Liste der Anforderungen an den Laden von Tag zu Tag länger wurde, während das Budget das gleiche blieb. Dennoch wurde unsere Präsentation zu Konzept, Name, Design und Einrichtung erneut freudig abgenickt und es wurde Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Wortwörtlich, denn aufgrund des kleinen Budgets und der großen Fläche waren wir gezwungen, alles was ging in Eigenarbeit umzusetzen. Sprich, Produkttische, ganze Produktinseln, Flyerständer, Verkaufstresen und so weiter haben wir selbst geplant, gebaut und an Ort und Stelle gebracht. Wir haben alle Stunden, die unsere Tage hatten in dieses Projekt gesteckt und wurden gleichzeitig dafür belächelt, weil wir ja noch so jung und motiviert und unerfahren sind.
"Da kann man das ja noch machen.."
Ich versuche es beim Wesentlichen zu belassen und kürze die Geschehnisse mal auf die Tatsache ab, dass es einen Punkt in diesem Projekt gab, an dem Dinge eine Wendung nahmen. Es wurde realisiert, dass viele Dinge veranlasst wurden, bevor das Konzept und viele große damit einhergehende Entscheidungen zu Ende gedacht und durchgesprochen wurden und es gab einen großen Shift. Rückzug hier, das so lieber doch nicht und so weiter.. Leider sind wir uns erst an diesem Punkt klar geworden, dass viele verschiedene Visionen dieses Ladens gerade konkurrieren und wir mehr oder weniger zwischen die Fronten geraten sind. Die Produktseite sah einen Laden, mit Café, der zum Shoppen und Verweilen einlädt. Die Museumsseite sah eine Begegnungsstätte für Lesungen und Events, begleitet durch einen Shop und wir sahen zurück auf schlaflose Nächte, gehetzte Anrufe an Sonntagen, stundenlange vorerst unbezahlte Planung und Arbeit. Für was nochmal? Uns ist erst schleichend und später vollends das Ruder oder sollte ich sagen die vielen Ruder, die uns anfangs so bereitwillig gereicht wurden, entrissen worden. Mit steigendem Druck auf einzelne Beteiligte wurde die Zusammenarbeit schlichtweg toxisch und unsere Arbeit wurde nicht nur nicht wert geschätzt, sondern es wurde entgegen unserer Arbeitsmoral und ohne unsere Zustimmung entschieden. Wenn ihr unsere Arbeit schon länger verfolgt, wisst ihr, dass wir ein Upcycling Unternehmen sind. Bevor wir etwas neu anschaffen, vergewissern wir uns, dass es keine gebrauchte, nachhaltigere Alternative gibt. So sind wir in dieses Projekt gestartet, dass ist, was uns ausmacht und das wurde uns genommen.
Gebrauchte Dinge waren plötzlich doch nicht gut genug und wurden durch Möbeldiscounterware ersetzt, die gesamte Raumplanung über den Haufen geworfen und so weiter, bis wir einen Punkt erreicht hatten, wo wir unsere Vision, unsere Präsentation und unsere Arbeit nicht mehr wieder erkennen konnten.
Es war Zeit sich aus dem Projekt zurückzuziehen und sich einzugestehen, dass unsere Motivation und Mühen an dieser Stelle vergebens waren.
Ironischerweise wurden Teile des Konzepts beibehalten was heute dazu führt, dass der Laden in unseren Augen keinen Sinn ergibt. Wieso heißt er denn Leipzig_04? Warum steht da eine Litfaßsäule, warum sieht die Einrichtung so zusammengewürfelt aus?
Fakt ist, wir haben so unglaublich viel aus dieser gesamten Erfahrung gelernt und das ist das Gute zum Schluss:
Wir beruhen uns nicht mehr auf mündlichen Absprachen, sondern machen jetzt alles ganz korrekt und ordentlich schriftlich fest, bevor wir auch nur einen Finger rühren. Wir setzen klare Grenzen und damit auch Konsequenzen, wenn diese überschritten werden. Wir lassen Wochenenden auch mal Wochenenden sein und behalten uns weiter unseren freundlichen und respektvollen Ton bei, auch wenn wir dann vielleicht als ‚Mädels’ weniger Durchschlagskraft bei manchen Personen haben werden. Und um das noch einmal zusammenzufassen. Wir werden nicht mehr mit Menschen zusammenarbeiten, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden.
In diesem Sinne:
Vielen Dank für die Lehre, für die Erfahrung die uns niemand nehmen kann und den Blick hinter die Kulissen eines gespaltenen Projekts.
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